| Rezension Jericho Moon Vorweg: Dieser Roman ist alles andere als politisch korrekt. Wer also ähnlich denkt wie jene Amerikaner, die vehement dafür einstehen, dass ‘Song of the South’ (hierzulande als ‘Onkel Remus’ Wunderland’ bekannt) in den Disney-Archiven verbleibt und der breiten Masse nicht zugänglich gemacht wird ob der “problematischen” und “unsensiblen” Darstellung von afroamerikanischen Sklaven, sollte einen großen Bogen um ‘Mond über Jericho’ machen. Worum es geht? Der Autor beschreibt hier den Ansturm der alttestamentarischen Hebräer auf Jebus, oder, wie diese es nennen, Jerusalem (nachzulesen, für Interessierte, im Buch Josua, Kapitel 1-15) -- von der Seite der Verteidiger aus. Genauer, aus der Sicht der Söldnerin Barra, und obwohl sie dem Geld, das ihr - und zahllosen anderen Söldnern - von Jebus’ König, Adoni-Zedek, sicher nicht abgeneigt ist, zieht sie es eigentlich vor (nachdem sie die Ruinen von Jericho gesehen hat), den Prinzen (den zu befreien ihre eigentliche Aufgabe war) abzuliefern, die Belohnung zu kassieren und zu verschwinden, bevor die Habiru (wie die Israeliten sonstwo in der Welt genannt werden) alles kurz und klein schlagen. Daraus wird jedoch nichts, da die Dreigottgestalt Anat/Astarte/Ascherah sich als die Herrin erweist, die auch die Pikten (Barras Volk) anbeten, und die Söldnerin als ihre Streiterin erwählt hat. Die Chancen, zu überleben, stehen gleich Null; dennoch nimmt Barra schließlich an, die Verteidigung persönlich anzuführen (wenn sie auch keinen Schimmer hat, wie sie gewinnen soll). Das Buch hat einen verhältnismäßigen langsamen Start und benötigt etwas, um zu dem gerade von mir beschriebenen Punkt zu kommen (das geschieht in Kapitel 9, von 20), aber die Belagerung von Jerusalem (geschildert von beiden Seiten aus) macht das wieder wett. Tatsächlich ist es eines der am besten geschilderten Kriegsszenarien, die ich kenne, obwohl (oder vielleicht gerade weil) weniger als die Hälfte auch aus Kämpfen besteht. Die Atmosphäre ist sehr, sehr dicht, besonders, als der Gott der Hebräer sich schließlich entschließt, einzugreifen. Was mich zum nächsten Punkt bringt: Das Bild, das hier von den Israeliten gezeichnet wird, ist alles andere als freundlich: Jahwe ist ein jähzorniger und eifersüchtiger Gott, der sich die Israeliten durch Furcht gefügig macht und systematisch sämtliche andere Gottheiten auslöschen will, damit Mitglieder seines Volkes, die genug von ihm haben, nicht zu diesen überlaufen. Und die Hebräer sind auch nicht der edelmütige Stammesverband, als der sie gerne gesehen werden (gerade heute ist es ja so, dass einem bei der kleinsten Kritik Antisemitismus vorgeworfen wird, und dabei ist es ganz egal, ob die Ereignisse, auf die man sich bezieht, vor 30 oder vor 3000 Jahren geschehen und, in letzterem Fall, höchstwahrscheinlich erfunden sind), sondern eine zusammengewürfelte Bande fanatischer, zwangsnomadisierter Wüstenräuber. Daran sind sie nicht unbedingt alle selbst schuld (wie gesagt, Jahwes Zorn hat großen Einfluss), aber so sieht’s im Endeffekt aus. Politisch korrekt, in unseren Zeiten, sicher nicht. Wenn wir aber mal davon ausgehen, dass das Alte Testament tatsächlich Recht hat (auf welcher Annahme dieser Fantasy-Roman ja basiert), historisch nachvollziehbar. Auch an durchaus interessanten Ideen und ‘charakterlichen Problemen’ mangelt es nicht bei ‘Jericho Moon’. Einziger Kritikpunkt vielleicht der Schluss, bei dem die Atmosphäre imho ein wenig flöten geht... nicht viel, aber doch immerhin so viel, dass man’s merkt. Und auch, wenn die Belagerung von Jebus nachhaltige Folgen für Barra und ihre Gefährten hat, hätte ich mir doch etwas mehr Dramatik gewünscht. (Februar 2003) |